Hämophilie ist eine seltene chronische Erkrankung. Deshalb kommen die meisten Ärzte kaum mit ihr in Berührung und sind mit dem Krankheitsbild nicht näher vertraut. Eine genaue Diagnose erhalten die Patienten häufig erst, nachdem sie verschiedene Ärzte aufgesucht haben. Je früher die Krankheit erkannt und behandelt wird, desto besser. Deshalb müssen die Öffentlichkeit und die Ärzte noch besser über die Hämophilie informiert werden.
In Deutschland gibt es ca. 100 Hämophilie-Zentren. Sie gewährleisten durch die Möglichkeit einer stationären Behandlung sowie durch die interdisziplinäre Zusammenarbeit verschiedener Fachärzte eine umfassende medizinische Versorgung der Hämophilie-Patienten.
Die Hämophilie-Zentren unterteilen sich in Hämophilie-Behandlungszentren und Behandlungseinrichtungen. Behandlungszentren sind vor allem Universitätskliniken und Krankenhäuser, Behandlungseinrichtungen sind häufig Arztpraxen.
Vom Schweregrad der Erkrankung hängt die Art der Therapie ab. Es wird weiter unterschieden zwischen Bedarfstherapie und Prophylaxetherapie.
Bei der Bedarfstherapie wird den Patienten im Bedarfsfall, das heißt bei Stößen und mutmaßlichen Verletzungen, die notwendige Einheit an Gerinnungsfaktorkonzentrat injiziert.
Die Prophylaxetherapie garantiert demgegenüber ein dauernd reduziertes Blutungs- und Verletzungsrisiko, da das Blut kontinuierlich mit dem fehlenden Gerinnungsfaktor angereichert wird. Diese Behandlungsform wird vor allem bei Kindern und Jugendlichen eingesetzt, um ihr gesundes Wachstum zu sichern.
Patienten mit einem Blutgerinnungswert von Faktor VIII unter 2% müssen regelmäßig mit plasmatischen oder rekombinanten Faktorenkonzentraten versorgt werden. Letztere bieten aufgrund ihrer biotechnologischen Herstellung einen verbesserten Schutz vor Infektionen.
Die Dosierung und die Dauer der Substitutionstherapie richten sich grundsätzlich nach dem individuellen Bedarf des Patienten. Sie sind abhängig von dem Gewicht, dem Schweregrad der Gerinnungsstörung, Ort und Ausmaß der Blutung, Hemmkörpertiter und dem gewünschten Faktor-VIII-Plasmaspiegel.
Bei Gelenkblutungen im Frühstadium und Muskelblutungen müssen Blutgerinnungsfaktoren alle 12 bis 24 Stunden erfolgen, also mindestens einmal am Tag, bis die schmerzhafte Blutung gestillt und eine Wundheilung erreicht ist.
Bei einem hohen Schweregrad mit ausgeprägten Gelenk- und Muskelblutungen müssen Injektionen alle 12 bis 24 Stunden für 3 bis 4 Tage oder länger wiederholt werden, bis die Schmerzen und Behinderungen beseitigt sind.
Zur regulären Vorbeugung von Blutungen bei Patienten mit schwerer Hämophilie A während der Prophylaxetherapie sollten z.B. 20 bis 60 Internationale Einheiten (IE) Faktorkonzentrat pro kg Körpergewicht im Abstand von 2 — 3 Tagen gegeben werden.
In den Hämophilie-Zentren werden die Patienten darin geschult, sich eigenständig das notwendige Blutgerinnungskonzentrat zu injizieren. Die Betreuung erfolgt durch regionale Zentren, die die Patienten mit den für sie notwendigen Faktorkonzentraten versorgen. Behandelnde Ärzte und die sich selbst behandelnden Patienten müssen darauf achten, die im Transfusionsgesetz geforderte Dokumentationspflicht der Gabe von Gerinnungsfaktorkonzentraten zu gewährleisten.